Aktuell müssen viele Energieversorger zum Jahresende ihre Preise um rund zwei Cent pro Kilowattstunde erhöhen. Das Stadtwerk Haßfurt geht einen anderen Weg: „Wir erhöhen zum Jahreswechsel unsere Preise für Strom und Gas nicht“, erklärte Hans-Joachim Schiewer, Prokurist des Stadtwerks. „Guter Einkauf und Verzicht auf Teile unserer Marge machen das möglich.“ Der Preis war aber nur eine Seite der Medaille, wegen der das Stadtwerk zum Pressegespräch gebeten hatte. Geschäftsführer Norbert Zösch ließ nicht ohne Stolz die Katze aus dem Sack: „Wenn nachfolgende Generationen eine lebenswerte Zukunft haben sollen, müssen wir handeln. Als regionaler Energieversorger sehen wir uns in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und unseren Kunden nachhaltig erzeugte Energie zu liefern. Aus diesem Grunde schließen Bürgermeister Günther Werner und wir uns einem Antrag der CSU-Stadtratsfraktion unter Vorsitz von Norbert Geier sehr gerne an und liefern ab Januar hundert Prozent grünen Strom an Privatkunden.“
Norbert Geier, Stadtrat
CSU-Fraktionschef Geier unterstrich die Motivation für den Vorstoß des Stadtwerks: „Unser Anspruch ist nicht, Preisbrecher zu sein, sondern vernünftigen, nachhaltigen Strom anzubieten.“ Stadtwerk-Geschäftsführer Zösch war im Zusammenhang mit der Wahl des Grünstroms wichtig, dass es sich hierbei nicht um irgendwelche Zertifikate ausländischer Anbieter handelt, die man günstig irgendwo erstehen könnte, sondern dass dieser grüne Strom auch aus der Region stammt. „Ab 1. Januar 2020 beziehen unsere Haushaltskunden automatisch Grünstrom, der hauptsächlich in dem zertifizierten bayerischen Laufwasserkraftwerk Ottendorf am Main produziert wird.“
Strom aus Wasserkraft für sechs Jahre gesichert
Um die Nachhaltigkeit der heimischen Stromversorgung aus heimischen Quellen sicherzustellen, habe sich das Stadtwerk Haßfurt für zunächst sechs Jahre den Strom aus dem Wasserkraftwerk Ottendorf gesichert. Das bedeute eine Menge von 32 Millionen Kilowattstunden jährlich. Der Vorteil neben der CO2-freien Stromgewinnung sei die Konstanz. „Das Wasserkraftwerk erzeugt Strom rund um die Uhr. Nur bei Hochwasser wird es abgeschaltet“, erklärte Zösch. Auch logistisch gebe es kein Problem. Die Leitung verlaufe entlang des Mains zu einem Mast im Osterfeld und über eine Leitung des Bayernwerks zum Umspannwerk in Haßfurt.
Grüner Strom, so Zösch, sei auch eine Frage der Definition. Das Stadtwerk biete physikalisch bereits einen 200-prozentigen Anteil an regenerativem Strom. Alleine die Windkraft steuere pro Jahr 60 Millionen Kilowattstunden bei, Solaranlagen 12 Millionen Kilowattstunden. Es gebe immer wieder Nachfragen von Kunden, warum der grüne Strom auf der Rechnung nicht explizit ausgewiesen werde. Diesem Wunsch werde das Stadtwerk nun auf Anregung der CSU-Stadtratsfraktion nachkommen.
Deutschlandweit einzigartiger Tarif
„Gerade durch die aktuelle Entwicklung des Energiemarktes wird unser bislang deutschlandweit einzigartiger strombörsenorientierter EEX-Tarif immer rentabler für Endkunden und wird jetzt grün“, so Norbert Zösch. Dieser Tarif schwanke je nac Börsennotierung zwischen 24,3 und 33,3 Cent pro Kilowattstunde. So könne man seinen Verbrauch an den Kosten orientieren. Zudem wies Norbert Zösch darauf hin, dass der Tag- und Nachttarif voraussichtlich nur noch ein Jahr angeboten werde, Kunden aus diesem Tarif aber mit einem der moderneren Tarife eventuell günstiger fahren würden. Und Felix Zösch ergänzte: „Ab 2020 bieten alle Tarife hundert Prozent Ökostrom. Wir empfehlen jedem Bürger in Haßfurt eine Vergleichsrechnung über unser Energieportal ,Energy Assistant‘, denn hier werden Einsparpotenziale sofort ersichtlich.“ Dieses Angebot stehe nicht nur den Bürgern im Bereich Haßfurt-Theres-Buch, der ohnehin vom Stadtwerk versorgt wird, zur Verfügung. Theoretisch kann jeder Bundesbürger Strom vom Stadtwerk zu dessen Tarifen beziehen. Voraussetzung dafür, alle Vorteile nutzen zu können, sei jedoch der Einbau einen sogenannten Smart Meters.
Smart-Meter-Technik bietet eine Reihe von Vorteilen
Die Vorteile, die sich durch die Smart-Meter-Technik für Kunden des Stadtwerks ergeben, sind vielfältig: Durch häufigeres und genaueres Ablesen der Daten können Kunden ihr Verbrauchsverhalten exakt nachvollziehen und gegebenenfalls anpassen. So erhalten sie durch den Smart Meter Aufschluss darüber, zu welchen Uhrzeiten oder Tagen ihr Energieverbrauch in die Höhe schnellt. Der Energieverbrauch wird so transparent. Der Endkunde kann leicht sein Verhalten ändern und wertvolle Energie und damit Kosten einsparen. Günstigere Tarife oder Schwachlastzeiten können somit effektiver genutzt werden. Zukünftig werden sich Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Wasch- oder Spülmaschine, nach diesen Tarifen und Zeiten selbständig einschalten beziehungsweise mit eigenen Stromerzeugungsanlagen synchronisiert. Darüber hinaus bietet diese Zählertechnik die Möglichkeit, dass sich jeder Kunde seinen persönlich passenden Energiemix aus regenerativen und herkömmlichen Energien selbst zusammenstellen kann. Auch der Betrieb von kleinen Blockheizkraftwerken in Wohnhäusern kann durch die neue Technik erst exakt abgerechnet werden.
Hans-Joachim Schiewer, Stadtwerk-Prokurist
Parallel verfolgt das Stadtwerk auch die aktuelle Entwicklung weiterer flexibler Tarifmodelle. „Zusammen mit Know-How-Trägern aus dem eigenen Unternehmen, Wissenschaft, Industrie und unseren Kunden wollen wir in naher Zukunft flexible, regional verankerte und kundenorientierte Tarifmodelle testen“, so Felix Zösch. Prokurist Hans-Joachim Schiewer sieht auch bei den Gewerbekunden des Stadtwerks einen Trend zum Ökostrom. „Immer mehr unserer Firmenkunden wählen den etwas teureren Grünstrom-Tarif, um in die Nachhaltigkeit ihrer Unternehmen und die regionale Zukunftssicherung zu investieren.“ Dies nicht zuletzt auch deshalb, so Schiewer, da die Kunden der Unternehmen inzwischen auch häufig anfragten, ob die Produkte ökologisch produziert würden.
Auch bei den Gaspreisen habe der „optimierte Einkauf“ über die nordbayerische Einkaufsgemeinschaft dafür gesorgt, dass keine Preiserhöhung notwendig werde. Der Treuerabatt, den Erdgas-Kunden beim Stadtwerk Haßfurt bereits seit längerer Zeit mit der Jahresrechnung bekämen, könne gehalten werden, so Hans-Joachim Schiewer. Bei der Gasversorgung biete sich die Möglichkeit, in der eigenen Power-to-Gas-Anlage erzeugten Wasserstoff dem Erdgas beizumischen. Derzeit sind nur fünf Prozent zulässig. Dieser Wert werde sich aber bald auf zehn und später 20 und mehr Prozent steigern. Das habe den Vorteil, dass der Gaseinsatz noch weniger CO2-Ausstoß zur Folge habe, zudem müsse man diese Menge Gas nicht aus Russland einführen. Auch im Gasbereich hat das Stadtwerk einen Tarif entwickelt, mit dem gezielt zukunftsträchtige Projekte unterstützt werden sollen. „Falls sich Kunden für diesen Gastarif entscheiden, fördern sie automatisch unter anderem die Erweiterung der Power-to-Gas-Anlage um einen zweiten Wasserstofftank“, so der Stadtwerkchef.
Haßfurter Anlage zum BHKW des Jahres gekürt
Zösch wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die wasserstoffbetriebene KWK-Anlage in Haßfurt zum „Blockheizkraftwerk des Jahres 2019“ gekürt worden sei. Im Laufe des Jahres wurden von der Fachzeitschrift „Energie&Management“ elf besonders gute KWK-Projekte als „BHKW des Monats“ gekürt. Aus diesen beispielhaften Projekten wurde im Dezember durch eine Jury das „BHKW des Jahres“ ausgewählt. Der Stadtwerkchef machte deutlich, dass es durchaus eines der Ziele seiner Einrichtung sei, eine Wasserstofftankstelle in Haßfurt zu errichten. Der Bau einer solchen Versorgungseinrichtung koste jedoch rund eine Million Euro. „Bei einer Förderung in einer Größenordnung von 65 Prozent allerdings würde der Stadtrat wohl darüber nachdenken“, so Zösch. Er wurde von Stadtrat Norbert Geier hier unterstützt. Der CSU-Fraktionssprecher, der den Deal mit dem Wasserkraftwerk Ottendorf mit eingefädelt hatte, betonte: „Die Menschen müssen denken: ich gehe nach Haßfurt, weil die sich um die Zukunft Gedanken machen. Für uns“, so Geier, „ist die Nachhaltigkeit der Energieversorgung besonders wichtig.“ Norbert Geier regte in Bezug auf eine umfassende regenerative Energieversorgung auch an, vielleicht die Gestaltungssatzung für die Altstadt Haßfurt zu ändern, um auch auf den Dächern in der Innenstadt Photovoltaikanlagen zu ermöglichen.
90 Jahre nach Heinrich Bauer
Bürgermeister Günther Werner wollte dies jedoch erst genauer untersuchen, um eine mögliche Rückforderung von Fördergeldern zu vermeiden. Abschließend machte Werner darauf aufmerksam, dass genau 90 Jahre, nachdem der Haßfurter Heinrich Bauer das Patent für eine Wasserturbine als „Gezeitenkraftmaschine“ zur Stromerzeugung bekommen hatte, nun das Stadtwerk Haßfurt alle Stromtarife mit hundert Prozent grünem Strom anbieten könne.