Das Stadtwerk Haßfurt hat mit seiner „Energieversorgung 4.0“ die Teilnehmer der zweiten Zukunftswerkstatt Erdgas der Brancheninitiative Zukunft Erdgas und der Wintershall DEA in Berlin überzeugt. Bei der abschließenden Publikumsabstimmung setzten sie sich gegen neun andere Innovationsprojekte durch und gewannen den Publikumspreis. Der Erfolg geht sicher auch auf das Konto von Geschäftsführer Norbert Zösch, der beim „Speed-Dating“ der Teilnehmer mit den verschiedenen Projekten sehr überzeugend den Ansatz der Stadtwerke erläutern konnte.
Der Anspruch der Stadtwerke ist die Nutzung erneuerbarer Energien in allen Verbrauchssektoren der Kommune Haßfurt. Basis ist eine regenerative Erzeugung von Strom sowie Strom aus KWK-Anlagen, die in dem Versorgungsgebiet bei 210 Prozent des Verbrauchs liegt. Schon 2016 haben die Stadtwerke Haßfurt gemeinsam mit Greenpeace Energy eine Power-to-Gas-Anlage in Betrieb genommen. Damit wird ein Teil dieses hohen Angebotes von Erneuerbaren-Strom in Wasserstoff umgewandelt. Der Wasserstoff wird zum größten Teil in das Erdgasnetz eingespeist, ein kleiner Teil geht direkt an einen Industriekunden.
Mitte 2019 hat das Stadtwerk den nächsten Schritt getan. Da wurde ein reines mit Wasserstoff betriebenes BHKW in Betrieb genommen, in dem ein Teil des Wasserstoffs wieder verstromt und zudem Wärme erzeugt werden kann. Den laufenden Betrieb des Elektrolyseurs finanzieren die Haßfurter mit Hilfe von Greenpeace Energy. Greenpeace vermarktet ein Windgas-Produkt mit einem Anteil Wasserstoff (er liegt unter 1 Prozent), der teilweise von Haßfurt bezogen wird. Die Greenpeace-Kunden bezahlen einen Förderbeitrag von 0,40 Cent/kWh) für die Förderung der Power-to-Gas Technologie. Haßfurt bekommt Geld aus diesem Förderbetrag.
In Haßfurt hat man noch mehr Ideen, mit einer Vielzahl an Kooperationspartnern wird an diversen Projekten gearbeitet. Der Einsatz des Wasserstoffes in Brennstoffzellen-Mikro-KWK-Anlagen ist wohl eine Option über die nachgedacht wird, eine Wasserstofftankstelle eine andere. Natürlich ist man auch in Haßfurt nicht zufrieden mit den politischen Rahmenbedingungen für solche Projekte. Die Klage über die Belastung des erneuerbaren Stroms, der in den Elektrolyseuren genutzt wird, mit Abgaben und Umlagen ist der Dauerbrenner bei allen Akteuren in dem Sektor. Die Forderung, da etwas zu ändern, wurde nicht nur von Zösch, auch von etlichen anderen Teilnehmern an der Veranstaltung gegenüber einem Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) geäußert. Der machte aber sehr deutlich, dass man im BMWi nicht über Änderungen nachdenke, da dies einer Systematik entbehre.
Bessere Chancen dürften Zösch wie auch andere Innovationsprojekte bei weiteren Fördermaßnahmen haben. Brennstoffzellen-Mikro-KWK-Anlagen werden derzeit mit dem KfW-Programm 433 gefördert. Diese Förderung soll verlängert und wohl auch durch die Förderung weiterer Größenklassen ausgebaut werden. Derzeit ist bei Anlagen bis zu 5 kW Schluss. Die Verlängerung und Ausweitung der Förderung würde auch Solid Power freuen. Der Hersteller von Brennstoffzellengeräten war mit der Weiterentwicklung seines derzeitigen Gerätes eines der zehn Projekte der Zukunftswerkstatt. Die Veranstaltung dient auch dazu, Netzwerke zwischen Unternehmen zu etablieren. Letztes Jahr hat dies gut funktioniert. Der Gewinner des Publikumspreises Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kooperiert mittlerweile mit Wintershall DEA, dem Mitveranstalter der Zukunftswerkstatt bei dem Verfahren der Erdgas-Pyrolyse. Dabei wird Erdgas in einem Hochtemperaturreaktor in Wasserstoff und festen Kohlestoff aufgespalten. Möglicherweise geben im kommenden Jahr die Stadtwerke Haßfurt und Solid Power die Kooperation bei einem rein mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Mikro-KWK bekannt.
„Großer Pool an Ideen“
Wasserstoff war insgesamt der Schwerpunkt bei den zehn Projekten, die sich aufmerksamkeitswirksam in einem Schwimmbad präsentierten. Und auch das Schwimmbad ist im Grunde ein innovatives Projekt. Das historische ehemalige Stadtbad ist in ein Hotel integriert. Für Veranstaltungen wird das Wasser abgelassen, die Events finden dann in dem Pool statt. Für Zukunft Erdgas-Vorstand Timm Kehler Gelegenheit für ein Wortspiel: „Wir stehen hier in einem historischen Schwimmbad, dies steht sinnbildlich für den großen Pool an Ideen, den wir in dieser Branche sehen, um Gas grün zu machen“.
In dem Projekt Energiepark Bad Lauchstädt, von Uniper und VNG Gasspeicher präsentiert, ist das Besondere die Speicherung des Wasserstoffs in einer Gaskaverne. Der LKW-Hersteller IVECO setzt unter anderem auf Brennstoffzellen-LKW, die mit Wasserstoff betrieben werden. ZEAG Energie, der lokale Energieanbieter in Heilbronn, setzt in dem Projekt H2orizon auf eine örtliche Sektorenkopplung, durch Umwandlung lokaler Windenergie in Wasserstoff. Der soll unter anderem als Raketentreibstoff in einem Prüfstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingesetzt werden. Bei H2morrow wollen der norwegische Energieproduzent Equinor und Open Grid Europe (OGE) Wasserstoff für die Industrie in Nordrhein-Westfalen bereitstellen – Partner ist aktuell ThyssenKrupp Steel. Erdgas wird in der Region in einem autothermischen Prozess in Wasserstoff und CO2 zerlegt. Das Kohlendioxid wird von Equinor nach Norwegen transportiert und dort eingelagert. OGE ist auch an dem Projekt Hybridge beteiligt. Mit Amprion zusammen, will man einen 100 MW Elektrolyseur bauen, um eine industrielle Skalierung der Technologie zu erreichen. Gelsenwasser will in dem „Power 2 Metal“-Prozess Erdgas durch Wasserstoff in einem Industrieprozess (Verzinkung) ersetzen. Partner ist Voigt & Schweitzer, ein Spezialist für Verzinkungsprozesse. Zwei Projekte haben nichts mit Wasserstoff zu tun: YourCar bietet klimaneutrales Carsharing mit Erdgasfahrzeugen in Göttingen und Rostock an (die Klimaneutralität wird über Zertifikate garantiert) und Wintershall Dea will mit einem digitalen Zwilling, einem 3D Modell realer Systeme, Prozesse und Produktionssicherheit optimieren. Ganz knapp hinter Haßfurt Zweiter in der Publikumsgunst war das H2morrow-Projekt.
Keine auskömmlichen Förder-Bedingungen
Der regulatorische Rahmen ist für alle Wasserstoffprojekte ein Problem. Auch die Reallabor-Förderung des BMWi hilft Projekten wohl nicht wirklich. Die Spielregeln, war am Rande der Veranstaltung zu hören, sind nicht so, dass eine auskömmliche Förderung gesichert ist. Deswegen war schon eine gewisse Frustration zu spüren, als berichtet wurde, die Nationale Strategie Wasserstoff werde erst im kommenden Jahr durch das Bundeskabinett verabschiedet. Sie soll dann zwar einen konkreten Maßnahmenplan enthalten, aber wie der aussieht, bleibt abzuwarten. Die Unternehmen wollen umsetzen, aber die Rahmenbedingungen sind nicht einfach. Gernot Klepper, Professor und für Umwelt und natürliche Ressourcen am Institut für Weltwirtschaft verantwortlich, fasste es so zusammen: „Es passiert in der Forschung unheimlich viel, aber bei den Unternehmen fehlt die Umsetzung, da sich viele Projekte erst bei einem CO2-Preis von 80 Euro/Tonne rechnen“. Die Stadtwerke Haßfurt zeigen, dass es auch anders geht.
Quelle: https://www.eid-aktuell.de/